VIERTES LEIPZIGER FRAUEN*FESTIVAL
„Wenn Frau* nicht will, steht alles still.“
26. Juni 2021 | 14 – 22 Uhr | Leipziger Marktplatz
OHNE UNS KEIN WIR
Frauen* in ihrer Vielfalt öffentlich sichtbar machen – als Akteurinnen* in den unterschiedlichsten Lebens-bereichen – das ist das Leipziger Frauen*Festival: Internationale und nationale Künstlerinnen*, feministische Talks, Open-Air-Stände, Handwerkerinnen*, Solo-Selbstständige und Aktivistinnen* feministischer Projekte, Vereine und Initiativen begegnen einander, wissen voneinander und von ihrem Tun, ihrer Kraft und ihrer Unentbehrlichkeit. Grund zum Feiern, mit anderen und mit sich selbst. Und zwar nicht irgendwo, sondern mitten in der Stadt – auf dem Leipziger Marktplatz. Nach 2015, 2017 und 2019 zum vierten Mal in 2021.
Im Mittelpunkt des Vierten Leipziger Frauen*Festivals steht die Unverzichtbarkeit der aktiven und gleich-berechtigten Beteiligung von Frauen* für unser freiheitlich-demokratisches Leben. OHNE UNS KEIN WIR. Es ist ein Festival des Kennenlernens und des Austauschs, der Freude am Zusammensein und des gemeinsamen Feierns – offen für alle Menschen. Wir zeigen, was uns bewegt – und fragen, was bewegt uns.
ALLE UND ÜBERALL
Wir wollen eine Gemeinschaft gestalten, in der jede*r das eigene Leben selbst bestimmen kann – losgelöst von irgendwelchen Geschlechter-Vorgaben und Eigenschaften – die Menschen nur auf Grund von biologischen Merkmalen oder ihrer Herkunft zugeschrieben werden.
Wir treten für die weltweite Gleichstellung und Freiheit aller Menschen ein bzw. für die weltweite Beseitigung gesellschaftlicher Unrechtssituationen. Es reicht nicht, wenn wir hier die gleichen Chancen haben. Solange Menschen anderer Gesellschaften nicht auch die gleichen Chancen haben, sind wir nicht am Ziel. Das ist Feminismus.
Wir kämpfen dafür, dass Frauen* hier und überall auf der Welt allen Geschlechtern gleichgestellt sind. Weltweit ist öffentlich bekannt, dass es überall Menschen gibt, die sich nicht als Frau oder Mann verstehen, sondern z. B. intergeschlechtlich oder transgeschlechtlich begreifen und leben. Auch sie haben geringere Chancen als Männer. Wir sind solidarisch mit allen Geschlechtsidentitäten – auch in der Sprache. Dafür steht z. B. das Gender-Sternchen – bei Frauen* wie bei Männern*. Gender-Sternchen, -Unterstrich oder -Doppelpunkt in der Schrift-form entsprechen der real existierenden Geschlechter-Vielfalt.
SOZIALE BEWEGUNGEN GESTERN UND HEUTE
Leipzig ist das Zentrum sozialer Bewegungen im 19. und 20. Jahrhundert gewesen. Hier nahmen Reform-bewegung(en), Frauen*- und Arbeiterbewegung(en) ihren Anfang. Durch das Engagement von mehr als 300 Frauen unter der maßgeblichen Initiative von Louise Otto-Peters kam es 1865 auf der ersten deutschen Frauen-konferenz in Leipzig zur Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“, dessen Ziel war: Abbau struktureller Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern in den Bereichen Bildung und Arbeit.
In der Zeit der Friedlichen Revolution arbeiteten zahlreiche Frauen-Gruppen zu verschiedenen Themen. Die Frauen-Initiative Leipzig vertrat feministische Interessen, engagierte sich hartnäckig u. a. für die Einsetzung einer Gleichstellungsbeauftragten für Leipzig und erreichte dies auch. Mehrere Frauen-Vereine, die sich 1990 gründeten, wirken und arbeiten noch heute für ein auch geschlechtergerechteres Miteinander.
1.700 Jahre jüdisches Leben und jüdische Kultur in Deutschland
Seit 1.700 Jahren ist die Ansiedlung von jüdischen Menschen in Deutschland bezeugt. Auch Sachsen hat durch eingewanderte jüdische Menschen einen sehr weitreichenden Aufschwung genommen. Als Händler*innen, Freiheitskämpfer*innen, Frauenrechtler*innen, Revolutionär*innen, Anwält*innen, Ärzt*innen, Künstler*innen, Wissenschaftler*innen oder Unternehmer*innen präg(t)en sie Vergangenheit und Gegenwart. Auf die Mitbegründerin der bürgerlichen deutschen Frauenbewegung Henriette Goldschmidt geht zum Beispiel die Gründung der Hochschule für Frauen und ihr Engagement in der Kindergartenbewegung vor 110 Jahren in Leipzig zurück. Unter dem Namen Henriette-Goldschmidt-Schule bietet das Berufliche Schulzentrum der Stadt Leipzig bis heute Ausbildungsmöglichkeiten in den Bereichen Gesundheit und Soziales.
Aktuelle Umfragen ergeben, dass zur Zeit ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland jüdischen Menschen gegenüber feindlich eingestellt ist. 2019 wurden fast 2.000 antisemitische Straftaten begangen; der brutalste Angriff war der Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9. Oktober 2019.
Auf uns kommt es an
Gesellschaft kann verändert werden durch persönliches aktives und konsequentes Handeln. Auf uns kommt es dabei an. Unser Ziel ist eine gerechte und freie Zukunft für alle Menschen. Das geht nur in gegenseitiger Achtung und Achtsamkeit miteinander, wovon alle profitieren. Unser Weg ist feministisch.
UND WAS UNS GERADE (UND IMMER NOCH) BESONDERS BEWEGT…
Zu wenige Frauen bestimmen in Leipzig politisch mit.
Im Leipziger Stadtrat sind nur 24 der 70 Stadträt*innen Frauen*. Also weniger als ein Drittel. Unter den acht Bürgermeister*innen sind nur 2 Frauen*. Gleichberechtigte politische Partizipation sieht anders aus. Auch im städtischen Verwaltungsbereich gibt es noch Einiges zu tun: Referats-/Amtsleitungen: gesamt 41, davon 23 Männer* und 18 Frauen* | Abteilungsleitungen: gesamt 146, davon 90 Männer* und 56 Frauen*…
Ein Blick auf die aktuelle Bundesregierung | Stand Januar 2020: Von insgesamt 709 Bundestagsmandaten werden 222 von Frauen* vertreten. Das heißt der Anteil an Mandatsträgerinnen*beträgt 31,3 %. Im Vergleich zu 2013: Da waren es noch 37,3 %.
Nur wegen der Geschlechtszugehörigkeit verdienen Frauen* rund 20 % weniger als Männer*…
… und nicht nur, weil sie in einem der „frauentypischen“, schlechter bezahlten Berufe oder in Teilzeit arbeiten. Bei einer voll vergleichbaren Leistung erhält auch im Jahr 2021 ein Erzieher (also ein Mann) mehr Lohn als eine Erzieherin (also eine Frau). Das Jahr 2020 hat einmal mehr gezeigt, dass mehr Frauen* in systemrelevanten Bereichen tätig sind und dennoch fiel die auch finanzielle Anerkennung für ihre Arbeit als Krankenpfleger*in oder Supermarkt-Kassierer*in nur geringfügig auf dem Lohnzettel aus im Vergleich zur Erhöhung von Management-Gehältern…
Unbezahlte Haus- und Familienarbeit
Erwerbstätige Frauen mit mehreren Kindern leisteten und leisten Gigantisches. Aber in unserer gesell-schaftlichen Gegenwart ist dies immer noch„ein selbstverständliches Frauen-Ding“, welches durch Kindergeld, Mütter-Rentenpunkte und neu: Grund-Rente „doch ausreichend gewürdigt wird“. Wird es aber nicht! Und dieSARS-COV-2-Pandemie hat diese historisch und sozial-gesellschaftlich begründete Problem-Konstellation sehr deutlich gemacht: Die nicht vorhandene Gleichstellung von Menschen. In vielen, auch jüngeren Familien wurden Unterschiede in der familiären Care-Arbeit deutlich sichtbar: Homeschooling, gute Laune halten, substanzielle Unterhaltung, Gesundheitsvorsorge, Putz-, Koch- und alle anderen Dienstleistungen wurden/werden in der Regel von Frauen getragen.
Einer weltweiten Studie der Kinderrechtsorganisation Save the Children zufolge sind Mädchen stärker von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen als Jungen. Mädchen müssen sich in dieser Zeit stärker im Haushalt engagieren. Kinder aus ärmeren Familien sind stärker betroffen als solche aus wohlhabenden Familien. Jedes fünfte befragte Mädchen gab an, dass sie in dieser Zeit nicht lernen konnte; bei den Jungen war es nur jeder Zehnte. Dies sind geschlechtsspezifische Unrechtssituationen, die qualitativ auch auf unser demokratisches Rechtsgefüge zutreffen.
Häusliche Gewalt, Sexismus, Femizide…
Mit der Sars-CoV-2-Pandemie – wurde parallel von den entsprechenden Ministerien, Forschungsgruppen und Verbänden vor einem deutlichen Anstieg an häuslicher Gewalt an Frauen und Kindern gewarnt. Als Sofort-Maßnahme wurden in allen Bundesländern zusätzliche provisorische Frauenhäuser bereitgestellt: Aus der gegenwärtigen Gesellschaftssituation eine Reaktion auf „einen erhöhten Bedarf“.
Aber anders als die notwendige, zeitnahe Bereitstellung von Intensiv-Betten für Covid-19-Patient*innen, ist der „Virus männliche Gewalt“ sehr lange allen bekannt. Und anders als bei Sars-CoV-2 sind die staatlichen Bemühungen bei „männlicher Gewalt“ fokussiert auf „Nachbehandlung“ – ähnlich dem: „Hast du Schmerzen, dann nimm ein Schmerzmittel.“ Gegen das Symptom wird etwas getan, aber nicht gegen die Ursachen.
Statistisch ist im Querschnitt Gewalt eindeutig männlich dominiert. Auch im 21. Jahrhundert, in einem freien demokratischen Land wie Deutschland sind Frauen* im Querschnitt Männern* gegenüber gesellschaftlich wie auch privat nicht gleichgestellt. Das ist Sexismus: Die Nachstellung bzw. die gesellschaftliche wie private Geringschätzung auf Grund der Geschlechtszugehörigkeit. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art. 1 Abs. 1 GG)